Das WLAN kommt vom Kirchendach
von Sven Koukal, Schwäbische Zeitung am 18. September 20198Tief im Gewölbekeller scheint helles Neonlicht, auf dem Speicher stapeln sich alte Holz-Ski-Modelle und das WLAN-Signal kommt vom Kirchendach: Das Areal rund um die Urspringschule bietet einige Besonderheiten und zeigt erst auf den zweiten Blick, wie sich Historisches mit Modernem mischt.
„Rundgänge, etwa mit neuen Schülern, sind wir gewohnt", sagt Rainer Wetzler, der die Schule leitet. Für die SZ-Serie „Durchs Schlüsselloch geschaut" spannt er zusammen mit Birgit Göhring vom Leitungsreferat einen noch größeren Bogen und gibt Einblicke, die man sonst als Besucher oder neuer Schüler nicht bekommt.
Zunächst geht es fast 18 Meter in die Höhe. Über schmale Holztreppen geht es in der Urspringkirche mehrere Etagen nach oben, vorbei an kleinen Lagerräumen auf dem Speicher, in denen auswärtige Schüler, die für längere Zeit die Urspringschule verlassen,
ihre Zimmerutensilien zwischenlagern. „Hier findet mal alles Mögliche", sagt Wetzler und bahnt sich den Weg an Koffern hier und Unterlagen dort vorbei zum ersten Ziel: einem unscheinbaren kleinen Fenster mit weißem Holzrahmen. „Von hier hat man einen kleinen Überblick über das Gelände und nimmt mal einen anderen Blickwinkel ein", erklärt er, während seine Kollegin Birgit Göhring noch das Gesehene verarbeitet: „Hier oben bekommt Speicherkapazität eine ganz andere Bedeutung." Den Ausblick von weit oben trübt ein kleiner weißer Sender. „Dieses kleine Gerät verbreitet auf dem Schulgelände das WLAN", erklärt Wetzler.
Nur wenige Stufen vom Fenster entfernt befindet sich der eigentliche Aufgang zum Dachboden der Kirche. Die Holzbalken dort erzählen nicht nur vom Neubau des Gebäudes nach dem verheerenden Brand vor fast 400 Jahren, bei dem auch die Äbtissinnenwohnung und das Dorment den Flammen zum Opfer fielen, sondern auch, dass rund um Urspring wohl viel Ski gefahren wurde. Eine Sammlung von Dutzenden alten Ski-Paaren türmt sich auf dem Dachboden.
Unten im angrenzenden Außenbereich der Kirche gibt es, etwas versteckt hinter einem schweren und reichlich verzierten Eisentor, eine große Tafel, die die Historie Ursprings in Text und Bild festhält. Zu lesen ist dort unter anderem vom Gründungsmythos, demzufolge der Heilige Ulrich, Patron der Urspringkirche, die Quelle auf dem Gelände weckte und somit den Grundstein für den Schelklinger Ortsteil gelegt hatte. Im Jahr 1127 wurde die Kirche von den Grafen von Schelklingen-Berg, denen das Abteirecht zustand und die hier ihre Grablege hatten, dem Kloster St. Georgen unterstellt. Abt und Konvent von St. Georgen veranlassten Nonnen des Benediktinerinnenordens, sich in Urspring niederzulassen.
Mittlerweile werden die alten Räume modern genutzt: So steht etwa in einem der Keller der Verwaltungsgebäude (ehemals Heil- und Mädchenhaus) eine große Telefonanlage, eine elektrische Schaltzentrale und unter der Schneiderei ratterte noch bis in die 60er-Jahre eine große Turbine – und bald vielleicht schon ein Wasserrad (wir berichteten).
Was sich unweit davon als kleiner Turm darstellt, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als kleine Fahrradwerkstatt. Direkt daneben befindet sich die alte Schmiede: Hier werden nicht mehr Stahlträger, sondern mittlerweile Muskeln gestärkt. Die Jugendbasketballer toben sich hier mit Hanteln und Sportgeräten aus. „Die Einrichtung ist komplett neu und wurde erst in den Sommerferien aufgebaut", erklärt Wetzler. Ebenfalls auf dieser Seite der Urspring-Anlage befindet sich das Feuerwehrhaus der Internatsfeuerwehr und auch der Saustall, der zur Feierstätte und Disko umgebaut wurde.
Über den Zustand der gezeigten Räumlichkeiten ist der Schulleiter sichtlich zufrieden. Die Sanierung im Jahr 2006 habe gut getan und viele Stellen schöner gemacht. Etwa das sogenannte Mentorat im obersten Stock des Verwaltungshauses. „Vor 2006 war hier nur eine Scheuertür, jetzt verbirgt sich viel mehr dahinter. Der Raum ist mittlerweile ein großzügiger Aufenthaltsraum mit Küche für die acht Schüler dieser Wohngruppe", sagt Wetzler.
Infobox: Die Wurzeln der Schule in Urspring reichen bis ins Jahr 1929 zurück. Dr. Bernhard Hell besichtigte in jenen Sommerferien verschiedene Objekte, um gemäß seiner Schrift „Die evangelische Schulgemeinde" eine Schule zu gründen. Alle Häuser fielen durch, nur Urspring überzeugte. Fritz Ehrecke wird erster Mitarbeiter. Er und Hell errichten am 2. April 1930 die Stiftung Urspringschule, einen Monat später eröffnete die Schule mit vier Lehrern und sechs Schülern. Aktuell leben und lernen in der Urspringschule etwa 200 Schüler und Schülerinnen zwischen 8 und 20 Jahren.
Text und SZ-FOTOS: SVEN KOUKAL (s. Bildergalerie, weitere Fotos: Birgit Göhring, besuchen Sie uns auch auf Facebook für weitere Impressionen).